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Artikel von © Ralf Weitbrecht, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 17.10.2001

Hemker schwört auf die Bibel, aufs Grundgesetz - und auf Hawaii
Der Abgeordnete des Bundestages hat zum zweiten Mal den härtesten Ironman absolviert

KAILUA-KONA. Vielleicht muß man das besonnene Gemüt eines Pfarrers haben, um solche Strapazen zu erleiden. Oder
die Hartnäckigkeit eines Politikers. Reinhold Hemker hat beides. Denn Hemker war ehemals Pfarrer und ist heute Politiker. Er sitzt für die SPD im Deutschen Bundestag und ist stolz darauf, seinen Wahlkreis im westfälischen Rheine gegen jemanden gewonnen zu haben, „der eigentlich schon immer vorne war". 57 Jahre alt ist Reinhold Hemker, und sein Durchsetzungsvermögen an der Basis scheint triftige Gründe zu haben. Der Mann ist Triathlet. Nicht irgendein Dreifachkämpfer, der sich ein paar Stunden in der Woche schwimmend, radelnd
und laufend in Form hält. Hemker gehört zur Spezies der Eisenmänner. Schon einige Ironman-Rennen hat er absolviert. Und vor allem ist er bei dem Klassiker auf Hawaii gestartet und hat unversehrt die Torturen in den heißen Lavawüsten überstanden. Dementsprechend ist der Respekt bei den Kollegen: „Wenn ich in Berlin zu unseren Fraktionssitzungen gehe, heißt es nur: Guckt mal, da kommt ja unser Eisen-
mann."
  

Foto: Frank Ossenbrink

Eisenmann Hemker lebt für seinen Sport. Vor drei Jahren erst überkam ihn das Gefühl, „mehr als sonst für mich zu tun". Als Tischtennisspieler wurde er immer wieder angerufen, wenn in seiner Heimatmannschaft Not am Mann war. Richtig ausgelastet freilich hat ihn das nicht. „Der Ironman ist etwas Einzigartiges", sagt Hemker - und keiner der 174 anderen deutschen Starter, mit denen er vor einigen Tagen auf Hawaii ein besonderes Kapitel seiner Lebensgeschichte geschrieben hat, wollte ihm widersprechen. In Kailua-Kona, der Wurzel des Ironman, genoß Hemker nahezu den Status eines Stars. Fast in einem Atemzug wurde er mit den Großen der Szene wie Thomas Hellriegel, Lothar Leder, Normann Stadler und Jürgen Zäck genannt. 

Reinhold Hemker lebt seinen Sport durch und durch. Freudig erzählt er, daß er weltweit der einzige Berufspolitiker sei, der die Herausforderungen des Ironman auf Hawaii überstanden hat. Vor einem Jahr, bei seiner Premiere auf der Pazifik-Insel, zehrte Hemker noch von seinem Prominentenbonus. „Die World

Triathlon Corporation hat mir eine Wildcard zur Verfügung gestellt", sagt er. Nie hätte es der „Rookie", der Neuling, geschafft, sich ordentlich für Hawaii zu qualifizieren. Trotzdem: Nach 12:58 Stunden, einer höchst respektablen Zeit, endete für ihn das erste Abenteuer. Der Ehrgeiz, „richtig" zu den Besten zu gehören und nicht auf das Wohlwollen generöser Funktionäre angewiesen zu sein, ist groß: „In Klagenfurt habe ich in diesem Sommer die Qualifikation geschafft. 11:30 Stunden bei großer Hitze." Noch heißer freilich war es am 6. Oktober. Wie das Gros der 1558 Teilnehmer muß Hemker „mehrere Schweinehunde" überwinden, um den ersehnten Zielstrich in der Hafenbucht von Kailua-Kona zu erreichen. 13:29 Stunden dauerte sein zweites „unvergleichliches Erlebnis Ironman Hawaii", das Folgen haben wird. Die Entwürfe für ein Buch stehen schon. Hemker, der Politiker von der Basis, will es im kommenden Frühjahr, rechtzeitig vor dem Ironman Germany-Frankfurt, auf den Markt bringen. „Gemeinsam bist du stark", so der Titel. 

Daß Reinhold Hemker überhaupt so stark geworden ist, einen Ironman zu schaffen, verdankt er eiserner Selbstdisziplin. „In Berlin mache ich alles mit dem Fahrrad." Wie selbstverständlich schwingt sich der 57 Jahre alte Hobby-Triathlet frühmorgens auf den Sattel und fährt die gut zehn Kilometer von seinem Zimmer zum Reichstag. Und bei Regen? „Ziehe ich einfach eine Jacke über." Eisenmänner suchen nicht nach Ausreden, ihr Trainingspensum zu reduzieren. Wenn Reinhold Hemker am Wochenende bei der Familie in Rheine ist, fährt er zu allen Terminen mit dem Rennrad. Oder er läuft. „Meine Leute im Wahlkreis kennen das schon." Sportdreß statt Anzug, Laufschuhe statt Lackschuhe. Der sportliche Politiker kommt an. 

Und er hat Visionen. „Wenn in Deutschland die Leute mehr Sport treiben würden, könnten wir glatt die Hälfte der Gesundheitskosten einsparen." Mit Ulla Schmidt, der zuständigen Ministerin, hat Hemker schon gesprochen. Doch wer ist schon bereit, so viel Zeit für einen fraglos faszinierenden Sport zu opfern? Die Kosten im Gesundheitswesen werden vermutlich weiter steigen, und mit ihnen die Ambitionen des ehrgeizigen Hobby-Triathleten Reinhold Hemker, noch mehr im Dortmund-Ems-Kanal oder in der Spree zu schwimmen. Oder noch früher aufzustehen, um vor den Bundestagssitzungen zu laufen. 

4:50 Stunden hat Hemker für den abschließenden Marathon auf Hawaii benötigt. Bei Tageslicht hat er das Ziel nicht erreicht, doch er weiß: Wenn im kommenden Jahr der gefürchtete Passatwind Mumuku nicht so stark bläst und er in Berlin und Rheine kontinuierlich weitertrainiert, wird er schneller sein und den Endpunkt aller Sehnsüchte in weniger als 13 Stunden erreichen. „Wenn ich meinen Wahlkreis bei der nächsten Bundestagswahl verlieren sollte, könnte ich wieder als Pfarrer arbeiten", sagt Reinhold Hemker. „Der Bischof hat mir schon einen Wink gegeben." Egal, wie es kommt: Reinhold Hemker wird immer ein Ironman sein und dafür leben. 

 

© RALF WEITBRECHT

 

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