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© Stephanie Geiger, FAZ 15.09.2005
nur für privaten Gebrauch, bitte copyright beachten

Über Brücken und Treppen,
durch Stollen hinauf

Der schönste Weg auf die Zugspitze

Das also soll nun Deutschlands schönster Talabschluß sein? Der Blick vom oberen Ende der Höllentalklamm zur 2962 Meter hohen Zugspitze ist zumindest legendär. Vom Höllentalanger aus schweift er das Tal des Hammersbachs hinauf, am Riffelkopf vorbei, über den sogenannten Grünen Buckel und den Höllentalferner, dann weiter zu Deutschlands höchstem Gipfel. Eigentlich. An diesem Tag leider nicht. Eine Schlechtwetterfront hat das Wetterstein-Massiv erreicht. Der Regen prasselt schwer auf die Schirme. Bäche stürzen von den steilen Wänden hinab. Bedrohlich grollt der Donner. Blitze leuchten rot am Himmel.

Das Wasser, das in der Höllentalklamm eben noch eisblau schimmerte, hat der Regen in eine milchige Brühe verwandelt. Dumpf klopfen Steine aufeinander. Die Wassermassen spülen sie im Bachbett talabwärts. „Im oberen Hammersbach fließt im Sommer kein Wasser", sagt der Bergführer Hans Ettl. „Wann ist Sommer?" „Jetzt." Normalerweise versickere das Schmelzwasser des Gletschers weit vor der Klamm und dem Höllentalanger im Bachbett und suche sich unterirdisch seinen Weg. Durch die anhaltenden Regenfälle ist in diesem Jahr aber alles anders.

Hans Ettl kennt die Zugspitze so gut wie kaum ein anderer. Schon als Kind ist der fünfundsechzig Jahre alte Grainauer durch die Höllentalklamm gewandert. Auch mit seinem Großvater, der - ebenfalls Bergführer - 576mal auf dem Gipfel der Zugspitze stand. Wie oft Hans Ettl oben war, weiß er nicht. Seit 1968 ist er Bergführer. Neun Jahre lang war er auch Wirt der Höllentalklamm-Eingangshütte und damit zuständig für den Weg durch die beeindruckende Schlucht. Noch heute weiß er genau, wo das Wasser in der Klamm von den Felsen heruntertropft. Wer ihm auf seinem schlingernden Gang nicht haargenau folgt, wird unweigerlich naß. In den Anfangsjahren des Klammwegs wurden Gummihüte an die Sommerfrischler verliehen. Genau hundert Jahre ist es her, daß dieser Steig von der Sektion Garmisch-Partenkirchen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins eröffnet wurde. Über Brücken, durch Stollen und betonierte Treppen führt der Weg seitdem vorbei an tosendem Wasser und glattgeschliffenen Felsen einen Kilometer weit durch eine enge Schlucht. Ein Holzkreuz in der Klamm erinnert an die zwei Jahre dauernden Bauarbeiten: ein Dank dafür, daß bei den Arbeiten niemand zu Schaden kam. Traditionell öffnet die Höllentalklamm an Christi Himmelfahrt. Vorher muß die Alpenvereinssektion jedes Jahr von neuem die Geländer und Brücken installieren. Sie werden den Winter über wegen der Lawinen abmontiert.

Unser Zugspitz-Abenteuer begann um 18 Uhr im Grainauer Ortsteil Hammersbach. Die Anfahrt war begleitet von einem schweren Gewitterschauer. Den Gipfel der Zugspitze konnte man nur erahnen. Kein Wunder, daß auf dem großen Wanderparkplatz in Grainau nur acht Autos standen. Bis zu vierhundert Bergsteiger schleppen sich an schönen Sommertagen am Hammersbach entlang durch das Höllental hinauf. An solchen Tagen wissen Sieglinde und Richard Frommer, die Wirtsleute der Hütte am Höllentalanger nicht mehr, wo sie ihre vielen Gäste unterbringen sollen. Die 1894 gebaute und seither immer wieder erweiterte Hütte ist so etwas wie das vorgeschobene Basislager. Wer die sieben Stunden und mehr dauernde Wanderung vom Tal auf den Gipfel verkürzen möchte, übernachtet hier. Zur Übernachtung rät Hans Ettl auch, um sich an die Höhe zu gewöhnen. Fünfundsechzig Schlafplätze hat die Hütte, verteilt auf sechs Matratzenlager. Eng zusammenzurücken reicht deshalb oft nicht aus. Wenn die Massen die Zugspitze stürmen, geben die Prommers Wolldecken aus. Dann schlafen die Gäste auf den Bänken und dem Boden der Gaststube oder gleich vor der Hütte. Zwischen fünf- und sechstausend Übernachtungen zählt Richard Frommer, der hier seit siebzehn Jahren Hüttenwirt ist, in der kurzen Saison zwischen Mai und Oktober. Acht von zehn Bergsteigern, die bei ihm Zwischenstation machen, wollen hinauf auf den Gipfel, schätzt er. Nicht einmal dreitausend Meter hoch, ist die
Zugspitze dennoch ein „Prestigeberg", wie Hans Ettl sagt. Dabei ist es neben der herausgehobenen Stellung als Deutschlands höchster Berg wohl auch die markante Gestalt mit ihren steil abfallenden Felswänden, die die Massen in ihren Bann zieht. Längst nicht jeder erreicht das Ziel. Auch Hans Ettl muß von Zeit zu Zeit mit seinen Gästen kehrtmachen. Etliche schätzen falsch ein, was der schwerste der vier Aufstiege auf den höchsten Berg Deutschlands an Kondition, Mut und Durchhaltewillen verlangt.

Wer nach zwei Stunden den Höllentalanger vom Tal aus erreicht hat, auf den warten in den nächsten sechs Stunden etliche schwierige Passagen. Nach etwa fünfundvierzig Minuten wird am sogenannten ersten Einstieg die Klettersteigausrüstung angelegt. Am Sitzgurt werden zwei kurze Seile mit Karabinern eingehakt. Damit kann sich der Bergsteiger am Klettersteig sichern. Mindestens eine der beiden Hilfen hängt immer am Stahlseil, das an den Fels montiert ist. Herausforderung Nummer eins: Die sogenannte Leiter. Tritte aus Stahl wurden hier in gerader Linie fast fünfzig Meter nach oben in den Fels geschlagen. Die Leiter ist einer der neuralgischen Punkte, wenn Bergsteiger schon zurückkommen, während andere noch aufsteigen. Dann gibt es hier Staus von bis zu einer viertel Stunde. Nicht anders ist es am berüchtigten Brett. Das ist eine mehr als hundert Meter hohe Felswand, in die nur noch Stahlstifte geschlagen wurden, diese quer zur Wand auf eine Länge von vierzig Metern. Auch mit moderner Technik und guter Ausrüstung erfordert das ein gutes Stück Mut. Probleme kann noch die Randkluft machen. Vor allem im Herbst ist die Spalte zwischen Gletscher und Fels im oberen Teil des Wegs so ausgeapert, daß nur ein beherzter Sprung weiterführt.

Seit etwas mehr als hundert Jahren gibt es diesen Weg auf die Zugspitze. An der Wende zum zwanzigsten Jahrhunderts haben Mitglieder der Alpenvereinssektion München mit der Seilversicherung begonnen. Recht spät, wenn man bedenkt, daß die Zugspitze mehr als achtzig Jahre zuvor erstmals bestiegen wurde - über den bedeutend einfacheren Weg durch das Reintal. Der Obere Einstieg nach der Gletscherpassage wurde 1902 vom Gipfel her nach unten mit Stahlseilen versichert, nachdem der Untere Einstieg samt Leiter und Brett schon 1894 fertiggestellt war. Wenn freilich das Wetter nicht mitspielt, rückt der Gipfel in unerreichbare Ferne. 1903, ein Jahr, nachdem der obere Teil des Klettersteigs mit Drahtseilen begehbar gemacht war, stürzten eine halbe Stunde unter dem Gipfel die Brüder Irmer in das sogenannte Bayerische Schneekar. Weshalb, das weiß auch Hans Ettl nicht. Wahrscheinlich sind sie wegen dichten Nebels vom Weg abgekommen. Genau erinnert sich Hans Ettl an zwei junge Bergsteiger, die 1994 im oberen Teil des Klettersteigs den Tod fanden. Sie hätten zwar den Rückweg angetreten, seien aber an Erschöpfung gestorben. Zwischen fünf- und achtmal rückt die Bergwacht im Sommer in Richtung Höllental aus. Schwere Haken hat Hans Ettl mit Kollegen vor einigen Jahren in der Nähe des Bretts in den Fels eingelassen und mit roter Farbe gut sichtbar markiert. Dort kann ein hundertzwanzig Meter langes Stahlseil eingehängt werden, das oben in einer Metallbox deponiert wurde. Verunglückte werden über die Felswand in die Tiefe gelassen. Ein Relikt aus der Zeit, in der Bergungen mit dem Hubschrauber noch selten waren.

Nicht ohne Grund heißt es im Rother-Alpenvereinsführer über den Aufstieg durch das Höllental: „Gelegenheitsbergsteigern nur mit Führer anzuraten, da lang und anstrengend und bei Wetterumschlag gefährlich." Auch wir erleben an diesem Abend die Tücken des Wettersteinmassivs. Hüttenwirt Richard hatte um 22 Uhr die Hüttenruhe verkündet, die letzten Gäste hatten ihr Kartenspiel beendet und waren in die Lager verschwunden, Wirtin Sieglinde hatte das Licht gelöscht. Wenige Minuten später klopft es an der Tür. Zwei vom Regen völlig durchnäßte Gestalten stehen draußen. Mit Halbschuhen, Polohemd und kurzen Hosen waren sie bei Sonnenschein losgezogen, um über die Riffelscharte zum Eibsee zu wandern. Weil sie den Übergang nicht fanden, irrten sie stundenlang durch das Höllental. Wechselwäsche haben sie keine dabei. Richard und Sieglinde suchen in ihren Sachen nach etwas Passendem. Draußen regnet es noch immer.

Acht Stunden später ist unser Bergführer zuversichtlich. „Schaut gar nicht so schlecht aus", sagt er um 6 Uhr nach dem
Blick aus dem Fenster. Während die anderen noch in ihren Lagern vom Gipfel träumen, treibt Hans zum Frühstück. Der Geruch von frischem Kaffee zieht durch die Hütte. Ein eindeutiges Zeichen. Am Vortag hatte Richard Frommer verkündet, daß es bei schönem Wetter ab 6 Uhr Frühstück gibt, andernfalls eine Stunde später.
Doch bis wir unseren Kaffee eingeschenkt haben, beginnt es wieder zu regnen. Als es zwei Stunden später nur noch tröpfelt, laufen wir los. Und am ersten Einstieg blitzen sogar die ersten Sonnenstrahlen durch. Leiter und Brett passieren wir im Sonnenschein. Am Grünen Buckel senken sich die Wolken. Die Luft wird feucht. Wind frischt auf. Nur wenige Meter sind wir über die Moränen gestapft, dann setzt feiner Sprühregen ein, der sich, als wir den Gletscher erreichen, in richtigen Regen auswächst. Umkehren wollen wir jetzt nicht mehr. Vielleicht ein Fehler. Den Regenschirm müssen wir im Rucksack verstauen. Nach der Randkluft, die wir über eine Schneebrücke überqueren können, beginnt der zweite Klettersteig. Die Eisenstifte sind glitschig, der Fels ist abgeschliffen. Am Stahlseil können wir uns nur mit Mühe halten. Die Lederhandschuhe aus dem Baumarkt, die unsere Hände vor dem Seil schützen sollen, sind nach wenigen Minuten durchgeweicht. Ohne Handschuhe geht es weiter. Eine Stunde noch quälen wir uns hinauf zum Gipfel, wo die Temperatur unter den Gefrierpunkt gefallen ist und kleine Eiskristalle durch die Luft flirren.

Wer den Gipfel erreicht, der wähnt sich in einer anderen Welt. Zumindest bei schönem Wetter und guter Fernsicht. Dicht an dicht stehen die Massen auf der Aussichtsterrasse, genießen die Fernsicht zu Dolomiten, Ortler und Bernina und schauen gebannt hinüber zum golden blitzenden Kreuz. Einige Wagemutige klettern in Flipflops und Sandalen hinüber, um das Gipfelgefühl der Bergsteiger erahnen zu können. Auf ein Andenken vom höchsten Punkt Deutschlands will kaum jemand verzichten. Lockere Steine findet man um das Kreuz herum keine mehr. Diesmal ist alles anders. Bergeinsamkeit bestimmt den Gipfel der Zugspitze. Nur eine Dohle zieht ihre Kreise durch die dichten Wolken.

© Stephanie Geiger, FAZ 15.09.2005
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Fotostrecke: Himmlischer Tag im Höllental


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