Witten. Er gilt als einer der schönsten Marathonläufe der Welt: der Hansaplast-Marathon durch die Hansestadt Hamburg. Rund 18.000 Läufer gehen bei der 17. Auflage am morgigen Sonntag an den Start. Mit dabei sind auch die sehbehinderte Wittenerin Marion Jostes und ihr Mann Siegfried.

Es gibt mitunter Dinge, die zu beschreiben nicht ganz einfach ist. Wie soll man es wohl nennen, wenn eine Frau mit 26 Dioptrien bei einem 42,195-Kilometer-Lauf mitmacht - obwohl sie Hindernisse auf der ihr unbekannten Strecke meist erst im letzten Moment und auch nur schemenhaft sieht; und zumal inmitten von Menschenmassen. Mutig? Gewagt?

Marion Jostes würde wohl keinen dieser Begriffe gelten lassen für das, was sie tut. Dass sie morgen mit ihrem Mann in Hamburg startet, empfindet die 48-Jährige höchstens sportlich als Herausforderung. „Genauso behandelt werden wie jeder andere Teilnehmer" an dem Hamburger Großereignis wolle sie, betont Marion Jostes. Ganz normal.

Die Wittenerin, von Geburt an stark kurzsichtig, läuft ja schließlich nicht, um sich selbst - oder gar anderen - zu beweisen, dass auch sie als Sehbehinderte einen Marathon bewältigen kann. Sondern weil die Telefonistin bei den Stadtwerken einfach Spaß gefunden hat an dieser Art Bewegung, seit sie das Laufen vor nunmehr 16 Jahren zur Vorbereitung auf ein 2000-Meter-Rennen fürs Sportabzeichen für sich entdeckte.

Unzählige Kilometer hat Marion Jostes seit jenen Tagen im Jahre 1986 unter ihre Laufschuhe genommen - allein 345 Mal hat sie den Kemnader See umrundet- stets zusammen mit ihrem Ehemann. Hinzu kommen zig' Wettkämpfe über Distanzen von fünf Kilometern bis Halbmarathon. Und auch zwei Marathons haben Marion und Siegfried Jostes bereits erfolgreich absolviert: Bei ihrem ersten Start, 1999 in Köln, erreichten die damals unter „Die Mutlosen" gemeldeten Jostes gemeinsam das Ziel nach 4:40:41 Stunden. Beim zweiten Wettkampf im Jahr darauf in Berlin war das Paar aus Witten unbedeutende 56 Sekunden langsamer. Und außer dass Marion Jostes vor zwei Jahren in der Bundeshauptstadt gleich am ersten Getränkestand bei Kilometer fünf ein Übereifriger, den sie nicht rechtzeitig sah, regelrecht umgerannt hat, hat sich bei ihr weder bei dem einen noch bei dem anderen Wettkampf ihre Sehschwäche irgendwie bemerkbar gemacht.

Okay, es gibt Dinge, die laufen bei den Jostes anders ab als bei anderen Marathonis. Wenn im Wettkampf die Richtung gewechselt werden muss, dann kündigt Siegfried Jostes seiner Frau das rechtzeitig an. Und wenn an der Strecke Interessantes auftaucht, dann sagt der 52-Jährige Marion Jostes das ebenfalls - unmittelbar, ehe die zwei an Sehenswürdigkeiten vorbeilaufen; oder auch an außergewöhnlichen Gruppen am Straßenrand, die für Stimmung sorgen. Und so ganz aus der Nähe kann Marion Jostes, die beim Marathon Kontaktlinsen trägt, sogar einigermaßen gut sehen.

Die Wittenerin möchte diesen Lauf genießen

Laufen als Erlebnis - genau so soll es für die Wett- kämpferin mit der Startnummer 1249 und ihren Mann mit der Nummer 3642 beim Hansaplast-Marathon morgen ab 9 Uhr auch wieder sein. 14 Grad bei bewölktem Himmel besagt die Wetterprognose - gute Voraussetzungen für gute Zeiten. Doch gute Zeiten sind für die Jostes zweitrangig. Einen Lauf neuerlich um die 4:40 Stunden haben sie sich für die Hansestadt-Strecke zwar vorge- nommen. Aber vor allem wolle sie "nicht kaputt ins Ziel kommen", betont Marion Jostes. "Ich möchte das ja schließlich genießen."

20.04.2002   Von ©  Sabine Pütz

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