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von Martin Treichel

Marathon ist Lebenserfahrung -
Verlieren und Gewinnen

Ein Sonntagmorgen im Mai. Es regnet. Es ist kalt. Nicht gerade optimale Voraussetzungen für mein Vorhaben. Aber das versuche ich zu ignorieren. Denn auf diesen Tag habe ich mich ein halbes Jahr lang vorbereitet. Bin durch Schnee und Regen gelaufen, mal in aller Herrgottsfrühe, mal abends bei einbrechender Dunkelheit. Habe auf Rotwein und Currywurst verzichtet und meine Familie genervt. Und das alles für ein Ziel: endlich unter drei Stunden zu bleiben. Sieben Mal habe ich die 42,195 km schon unter die Füße genommen. Jetzt will ich endlich schaffen, was nur 3% aller „Finisher“ gelingt: in höchstens 2 Stunden 59 Minuten 59 Sekunden die Ziellinie erreichen.
 
Ein Sonntagmorgen im Mai. Der Gutenberg-Marathon in Mainz. Um neun Uhr dreißig der Startschuss. Das große Feld macht sich auf den Weg. Der Regen und die Kälte machen mir nichts aus. Ich finde mein Tempo – 4 Minuten 15 Sekunden sind für jeden Kilometer veranschlagt. Ich laufe 4:12, 4:09, 4:14, gleichmäßig, locker. Kilometer um Kilometer. Bei der Hälfte der Strecke habe ich etwa eine Minute Vorsprung auf die errechnete Zwischenzeit. Auch bei km 28 fühle mich noch topfit. Ich träume vom entspannten Zieleinlauf mit Jubelpose auf der Schlussgerade. –

Dann der Einbruch. Ab km 31 werde ich immer langsamer, verliere ständig an Zeit: 4:19, 4:23, dann der erste km über 4:30. Jeder Schritt fällt jetzt schwer, andere Läufer überholen mich, ich kann nicht folgen. Ich kämpfe gegen Verzweiflung und Panik. Bei km 40 liege ich das erste Mal über meiner errechneten Zwischenzeit. Das Traumziel ist ewig weit weg. Ich versuche mich ein letztes Mal anzufeuern. Von irgendwoher wachsen mir neue Kräfte, ich werde wieder schneller. Auf dem letzten Kilometer bin ich „im Tunnel“, nehme die Zuschauer nur noch schemenhaft wahr. Die Uhr tickt, die Zielgerade wird zur Ewigkeit.

Mit letzter Kraft erreiche ich die Ziellinie, dann reißt es mir die Beine weg und ich klatsche ungebremst auf den Asphalt. Sofort sind Sanitäter da. Mein ganzer Körper ist Zittern und Kälte und Erschöpfung. Meine Familie schaut mich mit großen, sorgenvollen Augen an. Erst Minuten nach dem Zieleinlauf erfahre ich meine Zeit: 2 Stunden 59 Minuten 52 Sekunden. Unfassbar. Punktlandung.

Ich habe verloren. Verloren die Illusion, ich sei stärker als die Dis-tanz. Verloren den Hochmut, in der Pose des Siegers das Ziel zu erreichen. Verloren die Hybris, es gäbe für meine Geschwindigkeit und meine Ausdauer keine Grenzen.

Und ich habe gewonnen. Gewonnen den Kampf gegen die Uhr. Gewonnen an Durchhaltevermögen und innerer Stärke – die letzten zwei Kilometer werde ich nie vergessen. Gewonnen schließlich an Gelassenheit – die 2:59:52 Stunden werde ich nicht mehr angreifen. Gewonnen an innerer Freiheit, mich an neuen, anderen Zielen zu versuchen.

von Martin Treichel, Wetter (Ruhr)

 



 

 



 

 


Ohne Tunnelblick bei Km 41:
Martin Treichel mit Mainz-Medaille
 


Auch im Alltag immer
mit ganzem Einsatz: Martin Treichel,
Pfarrer der ev. Kirchengemeinde
Wetter-Wengern

 

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