Witten. "Guck mal,
wie der schwimmt, der schlägt ja nur Schaum" - solche Sprüche musste
Niels Stein lange über sich ergehen lassen. Auch als "Gefahr für alle
anderen" sei der behinderte Jugendliche bezeichnet worden, sagt seine
Mutter. Gemeinsam mit ihrem 14-jährigen Sohn hat Monika Stein
vergeblich versucht, einen geeigneten Sportverein für ihn in Witten
zu finden. Jetzt trainiert der 14-jährige Wittener in Wattenscheid
für die Paralympics.
"Wir haben keinen Sportverein gefunden, da dort am Ende immer die
Leistung steht. Wer sie nicht bringt, wie es der Norm entspricht oder
erwartet wird, kann nicht weiter mitmachen", erzählt Monika Stein von
ihren Problemen mit "normalen Sportvereinen" - nicht nur in Witten.
Seit Oktober vergangenen Jahres trainiert Niels beim TV Wattenscheid
01. Durch einen Schnupperkurs für Behinderte ist er dorthin gekommen
und hat mit Weitsprung und Sprint über 60, 100 sowie 200 Meter
begonnen. "Die haben schon vor Jahren eine extra Abteilung im großen
TV Wattenscheid gegründet", erläutert Monika Stein. In dem Verein
trainieren auch Weltmeister. "Gesund und gehandicapt läuft da alles
durcheinander." Auch Wojtek Czyz trainiert dort. Der mehrfache
Goldmedaillen-Gewinner und Paralympics-Sieger ist Niels´ großes
Vorbild.
Der 14-Jährige, bei dem als Tetraspastiker alle vier Extremitäten von
Lähme befallen sind, trainiert dreimal in der Woche zwei Stunden. Der
Nachwuchs-Leichtathlet will bei den Paralympics 2012 in London
starten. "Seine Trainer bezeichnen das durchaus als realistisch",
sagt Monika Stein. Auch erste Erfolge bestätigen Niels in seinem
Bestreben an die Spitze des Sports. Bei der deutschen
Hallenmeisterschaft im Behindertensport in Halle hat er mit der
Staffel den dritten Platz belegt. Im Einzelrennen wurde er Fünfter.
Der Nachwuchssportler nimmt regelmäßig an Wettkämpfen teil - zu einem
großen Teil an regulären, bei denen er außer Konkurrenz startet. "Er
hat sich unheimlich verbessert und ist in Halle aufgefallen", sagt
Monika Stein mit einem Lächeln. "Als am Wochenende der Brief kam,
dass Niels in den Landeskader aufgenommen wird, hat er sich sehr
gefreut."
Auch dort wird Niels Leistung bringen müssen, kann sich aber mit
Sportlern messen, die das gleiche Handicap haben. "Für Behinderte ist
es sicher gut, sich mit Gesunden zu messen. Aber irgendwann wird das
frustrierend. Immer der Letzte zu sein tut der Seele nicht gut", sagt
Monika Stein. "Es geht mir darum, dass Behinderte nicht in die
Vereine finden. Viele würden vielleicht gerne Sport treiben, kommen
aber nicht dran. Mittrainieren ist ok, aber sie kommen nicht zum
Zuge", betont sie. Die normalen Vereine seien zu sehr an den
Leistungen von Gesunden orientiert. "Da ist es mit der Integration
nicht weit her. Dass das schwierig ist, sehe ich auch ein. Aber man
muss sich mal vorstellen, dass es für einen Spastiker siebenmal
anstrengender ist, wenn er eine Übung macht, als wenn wir sie
machen."
Niels wird das Sportinternat in Wattenscheid besuchen und dort weiter
trainieren. "Jetzt hat er seinen Sport, der ihn psychisch und
physisch stärkt. Sein körperlicher Zustand hat sich wesentlich
verbessert." Bei den Gesunden hätte er nie eine Chance gehabt. Jetzt
bekommt er Anerkennung, seine Leistung wird geschätzt und bewundert -
was er so nicht kennt", betont Monika Stein. Der nächste Höhepunkt
für Niels ist die Deutsche Meisterschaft in Leverkusen, bei der er im
Sommer starten will. Ein weiterer Schritt in Richtung Paralympics.
"Gesund und gehandicapt läuft da alles durcheinander".
In Wattenscheid haben
Sportler mit Behinderungen schon seit 1992 die Möglichkeit
Vereinssport zu betreiben. Trainingszeiten: Montags und Mittwochs (
17-20 Uhr).
© 07.04.2006 Von Astrid Stolberg, WAZ Witten
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Auf dem Sprung in eine Zukunft
als Behindertensportler: Niels Stein
mit seiner Leichtathletik-Trainerin
Elena Persina vom TV Wattenscheid 01.
Seit Oktober letzten Jahres ist der 14-jährige Läufer bei den
Wattenscheidern aktiv.
(Foto: privat )
Links:
TV Wattenscheid
Deutscher
Behinderten-Sportverband
International Paralympic
Committee
Wojtek Czyz
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