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Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 05.01.08
Artikel von © Richard Leipold

Arme aus Eisen

Kampf gegen Panik und Nichtbehinderte:
Hannes Köppen ist der Ironman der Querschnittsgelähmten
 

HERNE. Einen hohen Berg mit dem Rollstuhl zu besteigen ist unmöglich - sogar für Hannes Köppen. Dennoch hat der Triathlet aus Herne eine beinahe übermenschliche Aufgabe gemeistert. Köppen gewann den "Ironman" auf Hawaii und wurde Weltmeister - als erster deutscher Teilnehmer in der "Handbike-Klasse" für Querschnittsgelähmte. "Das war mein persönlicher Achttausender", sagt er. Elfeinhalb Stunden zu Wasser und zu Lande unterwegs zu sein, nur angetrieben von der Kraft der eigenen Arme, klingt schon großartig. Aber das Faszinierende an dieser Leistung liegt für Köppen im Reglement. Beim Ironman gibt es keine unterschiedlichen Normen. Das Zeitlimit, das die Teilnehmer einhalten müssen, um im Wettbewerb zu bleiben, gilt auch für die fünf behinderten Athleten, die nach einer harten Qualifikation einen Startplatz erhalten.


PV-Athleten Conny Dauben und Hannes Koeppen im Ziel des Ironman Hawaii (Foto: PV Triathlon Witten)

Köppen wird oft gefragt, ob das nicht ungerecht sei. "Nein, ist es nicht, man sollte es so lassen", pflegt er zu antworten. "Die Faszination besteht darin, dass die Regeln für alle gleich sind." In seinen Augen ist Triathlon "die integrativste Sportart der Welt, weil jeder auf derselben Strecke zur selben Tageszeit unter denselben Bedingungen startet". Bei der Ausrüstung gibt es ein paar Modifikationen, ohne die eine Teilnahme für Gelähmte nicht möglich wäre. Auf der 180 Kilometer langen Radstrecke darf Köppen ein Spezialgerät mit drei Rädern verwenden, das er im Liegen mit den Händen ankurbelt. Den Marathonlauf erledigt er im Rollstuhl.

Als Köppens Traum vom Ironman begann, gehörte er noch zu den "Fußgängern", wie er die nichtbehinderten Triathleten nennt. Köppen hatte bei der Bundeswehr so viel Sport wie möglich getrieben, um stupide Tätigkeiten wie Waffenputzen auf ein Minimum zu beschränken. Bei bester Gesundheit nahm er sich vor, an einem Triathlon teilzunehmen. Bei einer Rettungsaktion auf dem Standstreifen einer Autobahn wurde Köppen jedoch schwer verletzt, seitdem ist er in den Rollstuhl gezwungen. Die Metapher, an das Gerät "gefesselt" zu sein, verabscheut er. Sie sei nicht nur schief, sondern falsch, sagt Köppen. "Der Rollstuhl ermöglicht es mir, mich fortzubewegen, er ist mein Freund." Wo dieser Freund den Athleten sich selbst überlassen muss, beginnt das Spiel mit der Angst, auch für einen so außergewöhnlichen Athleten wie Köppen: Im Wasser, mitten unter 1500 Teilnehmern, kommt er sich beim Start vor "wie unter Haien". Das flüssige Element flößt ihm Respekt ein. Sich ohne Beinarbeit auf 3,8 Kilometern im Pazifik zu behaupten ist nicht nur eine technische Herausforderung, sondern auch eine psychologische - und eine taktische. Jeder sei gut beraten, sich am Start richtig einzuordnen, sagt Köppen. "Wer zu weit vorne beginnt und dann zu langsam ist, über den schwimmen die anderen einfach drüber." Das kann schmerzhaft und gefährlich sein. Was den mühevoll erlernten Rhythmus stört, kann beim Kraulen die Luft zum Atmen kosten. Im Training, beim PV Triathlon Witten, übt Köppen stets aufs Neue, "Panik zu vermeiden". Es klingt kurios, wenn er sagt: "Auf dem Wasser muss ich laufen wie ein Torpedo." Seine Defizite beim Schwimmen vermag Köppen durch Stärken in den beiden anderen Disziplinen mehr als auszugleichen - vor allem auf dem Fahrrad, das ein maßgerecht angefertigtes Dreirad ist. Erst diese technische Errungenschaft, die auf den Erfindungsgeist gelähmter Tüftler zurückgeht, versetzte Hannes Köppen in die Lage, seinen Traum doch noch zu verwirklichen. Renntaugliche Handbikes wurden erst einige Jahre nach seinem Unfall entwickelt. Statt in die Pedale zu treten, bedient der Athlet im Liegen eine Handkurbel. Das Fortkommen mit einem solchen Fahrrad erfordert immense Kraft. Natürlich besitzt Köppen gewaltige Schultern und Oberarme; sie fallen vor allem im Vergleich zur schmalen Silhouette seines übrigen Körpers ins Auge. Zu Beginn des Wettkampfes wiegt Köppen sechzig Kilogramm bei einer Körperlänge von einem Meter achtzig. Das geringe Gewicht kam ihm auf Hawaii zugute. Hitze und Schwüle begünstigen Athleten mit weniger Körpermasse.

Die Leichtigkeit des Seins wurde beim Ironman gefördert durch die Abwesenheit des belgischen Titelverteidigers Marc Herremans. "Bei meinem Sieg hatte ich ein bisschen Glück, dass er nicht dabei war", sagt der fünfzig Jahre alte Köppen. "Marc ist ja fast zwanzig Jahre jünger als ich." Das Fehlen des Belgiers war so etwas Ähnliches wie ausgleichende Gerechtigkeit. Im Jahr zuvor hatte Köppen schon aussichtsreich im Rennen gelegen, wäre bei seinem ersten Ironman "vielleicht unter die ersten drei gekommen", wenn sein Rollstuhl keinen Platten gehabt hätte.

Köppen verhält sich wie ein Berufssportler, obwohl er es nicht ist, nicht sein kann. Für Behinderte gibt es kein Preisgeld. Und ohne Prämien gibt es keine Profis. Dennoch lebt Köppen wie jemand, der seinen Sport als Beruf versteht. Er trainiert bis zu 35 Stunden in der Woche, achtet genau auf seine Ernährung und lässt sein Leistungsvermögen wissenschaftlich analysieren. Zunächst hatte Köppen seine Energie in ein Biologiestudium investiert, dem er eine Promotion folgen ließ. "Nach dem Unfall war das Studium der wichtigste Lebensinhalt für mich, jetzt ist es der Sport", sagt er. "Da kann man nicht einfach abschalten." Wie andere Athleten, die etwas Überragendes geleistet haben, weiß Köppen noch nicht, ob oder wann er wieder die Motivation für eine derart große Herausforderung aufbringt. "Ich bin dankbar dafür, dass ich mein sportliches Ziel erreichen durfte, aber ich bin auch ein wenig traurig, dass der Höhepunkt meiner sportlichen Laufbahn nun ganz offensichtlich erreicht ist", sagt er. Dennoch will Köppen an den Ort des Triumphes zurückkehren. Nicht unbedingt, um den Titel zu verteidigen, sondern "um den dritten Triathlon voll zu machen" - und um im Kreise alter Freunde und Konkurrenten vom Ironman "Abschied zu nehmen". Das genügt ihm als guter Vorsatz für das Sportjahr 2008. "Mit Athleten wie Marc Herremans und dem Weltrekordinhaber Carlos Moleda im selben Rennen zu starten wäre mir eine Ehre."

© Richard Leipold, FAZ

websites:
PV Triathlon Witten
Ironman

 

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