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Artikel von © Michael Reinsch in der FAZ vom 16.02.2004
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Einsam auf dem Gipfel, allein im Tod
Das tragische Ende des italienischen Radsportidols Marco Pantani

FRANKFURT. Marco Pantani ist am Samstag abend tot in einem Zimmer des Apartmenthotels "Le Rose" in Rimini an der Adria aufgefunden worden. Die Umstände deuten darauf hin, daß sich der ehemalige Radprofi das Leben nahm. Die vom Hotelpersonal alarmierte Polizei entdeckte, als sie die Zimmertür gegen 22 Uhr öffnete, die lediglich mit einer Jeans bekleidete Leiche des 34 Jahre alten Pantani neben dem Bett. Einige leere Schachteln von Beruhigungsmitteln lagen im Zimmer. Nichts deutete auf eine Gewalttat hin. An diesem Montag soll eine Autopsie die genauen Umstände des Todes klären, der am Samstag um 17 Uhr eingetreten sein soll. Staatsanwalt Paolo Gengarelli sagte, er schließe keine Hypothese aus und habe ein Ermittlungsverfahren eröffnet, um die Gründe für den Tod festzustellen.
Pantani stammt aus dem nur wenige Kilometer entfernten Küstenort Cesenatico, wo seine Familie eine Imbißbude betreibt und er eine Villa besaß. Vor einer Woche soll er den Kontakt zu Eltern und Schwester abgebrochen und sich in dem Hotel eingemietet haben. Das Personal berichtete, er habe das Zimmer praktisch nie verlassen und geistig abwesend gewirkt. Pantani hatte kein Mobiltelefon dabei und hatte an den letzten Tage seines Lebens keinen Kontakt zur Außenwelt. Das einzige Telefongespräch seine Aufenthaltes führte er nach seiner Ankunft. Seine Mahlzeiten nahm er im Zimmer ein. Auf einem Bogen Papier schrieb er seine Gedanken zum Zustand des Radsports nieder.
Pantani war einer der bekanntesten Radprofis der Welt. Er war klein, trug auf seinem Glatzkopf im Rennen häufig ein Piratentuch und hatte die staunenden Augen eines Kindes sowie, bis zu einer Operation vor zwei Jahren, abstehende Ohren.

Sein markantes Äußeres verband sich mit einem aggressiven Stil, der ihn selbst im vergangenen Jahr noch, als er weit entfernt war von der Verfassung früherer Jahre, beim Giro d'Italia in den Bergen angreifen ließ.
Im vergangenen Herbst suchte Pantani eine Klinik zur Behandlung von Suchtkrankheiten und Depressionen in Teolo bei Padua auf. Zeitungen berichteten, er habe mehr als zwanzig Kilogramm zugenommen. Freunde sagten, er habe sie nicht mehr an sich herangelassen. Der Nachrichtendienst Radsport-News.com zitierte Felice Gimondi, der Pantani jahrelang im Team Mercatone Uno begleitet hatte, mit den Worten: "Marco hat den höchsten Preis bezahlt. Er war über Jahre im Auge des Wirbelsturms, als er die Nummer eins der Welt war. Dann war er plötzlich ganz allein. Er war sehr zerbrechlich."
1998 gewann Pantani den Giro d'Italia und die Tour de France. Im Jahr darauf wurde er, als Führender des Giro, wegen eines zu hohen Hämatokritwertes (52 Prozent statt der erlaubten 50) bei einer Blutprobe 36 Stunden vor Ende des dreiwöchigen Rennens mit einer sogenannten Schutzsperre belegt. An jenem Tag, dem 5. Juni 1999 in Madonna di Campiglio, begann der Niedergang des Marco Pantani.

"Manch einen sollte jetzt das Gewissen plagen", sagte am Sonntag der Vorsitzende des Pantani-Fanclubs, Vittorio Savini, in Anspielung auf diesen schicksalsschweren Tag. "Denn als man ihn in Madonna di Campiglio stoppte, hätte man dasselbe mit den anderen 170 Fahrern machen können. Aber nur er war das Ziel." Die Zeitung "Corriere della Sera" kommentierte jetzt den Tod Pantanis mit ähnlicher Stoßrichtung: "Er ist schon viel früher gestorben." Pantani wehrte sich damals auch mit der Behauptung, sein Blut sei vertauscht worden, gegen den offensichtlichen Verdacht des Dopings. Gerichtsmedizinischen Untersuchungen folgten staatsanwaltschaftliche Ermittlungen, die sich zunehmend darauf konzentrierten, daß Pantani nach einem lebensgefährlichen Unfall im Rennen Mailand-Turin 1995 mit einem Hämatokritwert von mehr als sechzig Prozent ins Krankenhaus gebracht wurde und dort offenbar von seinen Betreuern weitere Gaben des blutbildenden Hormonmittels Erythropoietin (Epo) erhielt. Anhand der Daten aus den Krankenakten verurteilte ein Gericht in Forlf Pantani im Dezember 2000 zu einer Bewährungsstrafe von drei Monaten und einer Wettkampfsperre von sechs Monaten. Die Richterin wandte das entsprechende Gesetz gegen Sportbetrug allerdings rückwirkend an - das Urteil hielt der Revision nicht stand' Erst im Oktober 2003 erfolgte der Freispruch im Prozeß wegen Dopings im Giro 1999, der in Tione anhängig war.
Pantani war zu diesem Zeitpunkt schon längst wieder umschwärmter und erfolgreicher Rennfahrer gewesen. Unter anderem mit Hilfe eines Psychotherapeuten hatte sein Team ihn auf den Giro 2000 vorbereitet. Pantani flog im Hubschrauber zur Audienz bei Papst Johannes Paul II. ein, mit der seinerzeit der Giro in Rom begann. Dann fuhr Pantani zum ersten Mal seit einem Jahr ein Rennen. Einen Monat später verabschiedete er sich vorzeitig von der Tour: mit zwei seiner insgesamt acht Etappensiege und einem heftigen Streit mit Sieger Lance Armstrong. Der Amerikaner behauptete entgegen jeder Radsport-Etikette, er hätte Pantani am Mont Ventoux die Etappe gewinnen lassen. Der Italiener war tief beleidigt. Im vergangenen Jahr bettelte Pantani noch um Aufnahme in eine Mannschaft, die für die Tour qualifiziert war; auch Jan Ullrich bot er sich an.

Da war er sein letztes Rennen bereits gefahren: den Giro 2003. Mit wilden Attacken irrlichterte Pantani durch das Rennen und beendete es auf Platz vierzehn. Seine Popularität war weiterhin beispiellos. Kaum ein italienischer Sportler und schon gar kein anderer italienischer Radrennfahrer zog derart die Massen in seinen Bann. Auch bei der Italien-Rundfahrt gewann er insgesamt acht Etappen. Mit der sportlichen Karriere waren allerdings die Ermittlungen wegen Dopings nicht zu Ende. Bei der Razzia des Giro 2001 in San Remo war in einem Hotelzimmer von Pantanis Team eine gebrauchte Spritze mit Insulin gefunden worden; Pantani bestritt, daß er in dem Zimmer gewohnt habe. Nach einer Sperre durch die Sportbehörde stand der strafrechtliche Prozeß noch bevor.

Vor dem Hotel in Rimini versammelten sich, als in der Nacht die Nachricht vom Tode Pantanis die Runde machte, etwa zweihundert Fans. Sie versuchten ihm Respekt zu erweisen, indem sie langanhaltend applaudierten, als gegen halb zwei Uhr morgens der Sarg mit Pantanis Leichnam aus dem Hotel getragen wurde.
 

© Michael Reinsch, FAZ 16.02.2004 

 


Marco Pantani
(13.01.1970-14.02.2004)


Foto: copyright AP
 


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