Diese Seite wird auf privater Basis betrieben und ist nicht kommerziell.
Einnahmen werden ungekürzt gespendet an Sterntaler eV, Herdecke.

mehr stories

Gästebuch  Impressum  Sitemap  Guter Zweck  Kontakt


Artikel von © Michael Reinsch in der FAZ vom 20.09.2004
Bitte copyright beachten, nur für privaten Gebrauch

Horst Köhler als Verbündeter der Behinderten
Judo-Siegerin Susann Schützel und die kleine Geste großer Zuwendung

ATHEN. Susann Schützel ist nicht leicht zu beeindrucken. Nicht nur gewann sie, ruckzuck, alle ihre Kämpfe im Judowettbewerb der Paralympics vorzeitig. Selbst als die 26 Jahre alte Berlinerin im Finale dadurch gesiegt hatte, daß sie ihre französische Gegnerin Sandrine Auriers in einen Haltegriff bekam, blieb sie in Glück und Freude doch gelassen. Was sie denn dazu sage, daß Bundes-präsident Horst Köhler ihren Kampf miterlebt habe, wurde die sehbehinderte Kämpferin gefragt. „Es ist schön, wenn man mal Zuschauer hat", antwortete sie.

Der erste Mann im Staate, der wie selbstverständ-lich seinem Besuch bei den Olympischen Spielen eine Visite bei den Spielen der Behinderten an diesem Wochenende folgen ließ, war offensichtlich mehr beeindruckt. Nachdem er Susann Schützel bei der Siegerehrung, die er am Samstag nachmittag in der Ano-Liossia-Halle vornahm, die Goldmedaille umge-hängt und den Olivenkranz aufgesetzt hatte, küßte er sie auf beide Wangen. Und dann ließ er, als ob er sie gleich umarmen wollte, seine Hände an ihren Armen herabgleiten, bis er ihre Hände drücken konn-
te. Das Protokoll gebot, daß er dann zurücktrat.
Die kleine Geste stand für die große Hinwendung des Bundespräsidenten zum Sport und zu dem der Behinderten insbesondere. Ulrike Köhler, die Tochter des Präsidenten und seiner Frau, ist als Jugendliche an der unheilbaren Krankheit Retino-pathia pigmentosa erblindet. Seitdem weiß Köhler, wie schwer der Kampf um Normalität sein kann. Ihn beeindruckt, wer sein Schicksal überwindet und in dieser Situation Spitzenleistung bringt. „Dabeisein ist wichtig", sagte Köhler über die deutsche Delegation in Athen. „Aber mir gefällt auch, daß sie Sieger sein wollen." Behindertensportler sind für ihn Beispiele. Susann Schützel etwa. An der Universität Leipzig studiert sie Sozialwesen, am Olympiastützpunkt Leipzig trainiert sie, und für den Judoclub 90 aus Frankfurt an der Oder startet sie. „Ich trainiere immer mit Sehenden", sagt sie. „Bei den Olympi-schen Spielen hätte ich keine Chance. Aber in der zweiten Bundesliga kann ich gut mithalten." Die zupackende junge Frau steht dafür, die Welt nicht allein den Gesunden und Schönen zu überlassen, wie Köhler es ausdrückt.

Als Verbündeter der körperbehinderten Athleten zeigte sich der Präsident nicht nur bei den Wettbewerben im Judo und Rollstuhlbasketball, beim Radrennen und Tischtennis. Auch als er das Olympische Dorf besuchte und in der Mensa mit Mitgliedern der deutschen Mannschaft zu Mittag aß, als er den Vorsitzenden des Internationalen Pa-ralympics-Komitee, Phil Craven, und den im Internationalen Olympischen Komitee (IOC) für Behindertensport zuständigen Walther Tröger traf, ergriff er Partei für die Athleten mit Handicaps. Er sei froh, daß die Paralympics Teil der olympischen Bewegung seien, sagte Köhler. Man darf gewiß sein, daß er daraus auch Verpflichtungen ableitet. Nach einem Scherz klang es jedenfalls nicht, als er im Büro der deutschen Delegation mit der Bemerkung für großes Hallo sorgte, das IOC solle seine Kasse öffnen für die Behinderten.

IOC-Mitglied Walther Tröger würde Schwung und Offensivgeist des Bundespräsidenten unterschätzen, wenn er glaubte, dieser informiere sich zur Zeit unverbindlich, um später Prioritäten zu setzen. Köhler reicht es nicht, sich wie bei der Eröffnungs-feier unter die gekrönten Häupter Europas zu mischen - Königin Silvia von Schweden, Königin Sophia von Spanien und Königin Margarethe von Dänemark sowie der ehemalige König Konstantin von Griechenland waren gekommen - und die Athleten mit seiner präsidialen Anwesenheit zu erfreuen. Er mischt sich engagiert ein und fragt geradezu bohrend nach, wo es hakt. „Er hat uns gebeten zu schreiben, wenn wir ein Anliegen haben", sagte der
Hand-Biker Florian Sitzmann über seine über-raschende Begegnung mit dem Staatsoberhaupt beim Mittagessen. Der 28 Jahre alte Hüne aus Darmstadt, der als Sechzehnjähriger bei einem Motorradunfall beide Beine verlor, hat beim Trainingsaufwand schon längst die Schwelle vom Amateur- zum Profisport überschritten und kann doch nicht von seinem Sport leben. Von Startern aus Ländern des Ostens hörte er, daß ihnen für den Falle eines Sieges 25 000 Büro versprochen sind. Er bekam 700 Büro Prämie, als er Zweiter der Weltmeisterschaft wurde. „Ich würde mir für uns Leistungssportler eine angemessene Förderung wünschen", sagt Sitzmann.

Köhler hat ihn, wie alle anderen, aufgefordert, sich bei Schwierigkeiten an ihn zu wenden. „Er hat versprochen, daß die Briefe nicht in den Mülleimer fliegen." Über die erste Visite eines Bundespräsi-denten freut sich Theodor Zühlsdorf, erster Mann des Deutschen Behindertensportverbandes: „Das ist sagenhaft. Das gibt uns einen Schub, auf den wir sonst Jahre hätten warten müssen." Dank der Anwesenheit von Köhler brachten es die Goldmedaillengwinner Susann Schützel und Michael Teuber in die Tagesschau. Am kommenden Wochenende wird Gerhard Schröder in Athen erwartet. Der Bundeskanzler besucht als erster ausländischer Regierungschef die Paralympics.
 

© Michael Reinsch, FAZ 20.09.2004 


 



Susann Schützel
(Foto: bjv-judo.de)

 

 

Links:


www.paralympics.de
Dt. Behindertensport-Verband

www.paralympic.org
Intern. Paralympic Committee

http://www.athens2004.com/en
Paralympic Games 2004
 



http://www.bjv-judo.de
Brandenburgischer Judo-Verband

http://www.judobund.de
Deutscher Judobund

 

http://www.handbike.de
Handbike Racing Team


 


 


Diese Seite wird auf privater Basis betrieben und ist nicht kommerziell.
Einnahmen werden ungekürzt gespendet an Sterntaler eV, Herdecke.

nach oben   mehr stories

Gästebuch  Impressum  Sitemap  Guter Zweck  Kontakt