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Artikel von © Steffen Haffner, FAZ vom 22.08.02

Der Langläufer, der lieber Fußballprofi geworden wäre
Zum 60. Geburtstag von Harald Norpoth, dem Mann mit dem mitreissenden Endspurt

Frankfurt. Harald Norpoth war weder Olympiasieger noch Europameister. Und doch galt er als einer der großen Läufer seiner Zeit. Der spindeldürre Mann, der immer so wirkte, als hätte er nicht genug zu essen bekommen, gehörte zu den auffallenden Erscheinungen der Langstreckenszene. An diesem Donnerstag feiert er in seiner Heimatstadt Telgte nahe Münster seinen 60. Geburtstag, will sich dabei aber nicht für seine zahllosen Erfolge von einst feiern lassen. „Ich bin überhaupt nicht der Typ, der immer wieder auf die Vergangenheit zurückkommt." Deshalb hat er nur die zum Treffen in Telgte eingeladen, mit denen er auch sonst sein Leben verbringt und in Zukunft verbringen will. Dann, wenn er präzise mit dem Beginn seines neuen Jahrzehnts als Ruheständler mehr Zeit hat. Denn nicht zuletzt wegen seiner kaputten Knie, die er sich beim Hallentennis und Hallen-Fußball und nicht durch das Laufen zugezogen hat, beendete er seine berufliche Karriere. 31 Jahre war er dann in der Ausbildung von Sportausbildern an der Bundeswehr-Sportschule in Warendorf tätig. Nun freut er sich auf mehr Zeit für seine Frau, seine einunddreißigjährige Tochter und seinen dreißigjährigen Sohn, die am Ort wohnen und öfter mal reinschauen. Und natürlich will er sich sportlich betätigen, ausgiebig Radtouren machen. Denn laufen ist wegen der Knie nicht mehr möglich.

Beim Blick zurück ist ihm das, was er aktiv für den Sport getan hat, ob für seinen Verein oder als Sprecher der Leichtathletik-Nationalmannschaft, mindestens so wichtig wie Titel und Medaillen. Dabei landete der 1,85 Meter große Westfale bei allen wichtigen Wettkämpfen ganz vorne, niemals schlechter als auf dem sechsten Platz. Diese Leistungskontinuität schaffte Norpoth nur, weil er sich stets konsequent vorbereitete. „An 365 Tagen im Jahr habe ich draußen trainiert, ob bei Regen, Hagel, Hitze oder 25 Grad minus.'' Seinen größten Erfolg errang er 1964 in Tokio, als er überraschend Silber über 5000 Meter gewann. Dabei ließ der junge Deutsche die Favoriten, den Franzosen Michel Jazy und den australischen Weltrekordläufer Ron Clarke, hinter sich, wurde aber von dem amerikanischen Außenseiter Bob Schul überspurtet. Bei Europameisterschaften zweimal Zweiter über 5000 Meter und einmal Dritter über 1500 Meter, drei Siege beim damals populären Europacup, 37 deutsche Meistertitel und 50 Starts bei Länderkämpfen - diese Bilanz sagt einiges über den Stellenwert des 60-Kilo-Läufers aus.

Rekorde wie der Weltrekord über 2000 Meter und die Europarekorde über 3000 und vor allem über 5000 Meter in der heute noch respektablen Zeit von 13:20,49 Minuten waren für Norpoth mehr Nebenprodukte. Wie mancher deutsche Läufer unlängst bei der Europameisterschaft mit Zeiten um die 14 Minuten ausscheiden konnte, das ist ihm schleierhaft: „Das wäre ich mit 1,5 Promille nachts um 24 Uhr gelaufen." Rekordrennen fand der hagere Läufer langweilig. „Ich war mehr der Wettkampftyp, liebte die Taktik. Ich konnte nicht nur mal so hohes Tempo laufen, sondern wenn ich vorging, wurde es ernst." Aus der zweiten, dritten Position heraus zog er dann einen mitreißenden Spurt über 500, 600 Meter an, dem selten einer gewachsen war. Wichtiger als viele Erfolge auf der Laufbahn ist Harald Norpoth ein Brief von Altbundestrainer Sepp Herberger, der von ihm als Fußballer überzeugt war und ihn als Fußballtrainer empfahl. Auch wenn der Leichtathlet sich neben dem Sportstudium zum Fußball-Lehrer ausbilden ließ, ist daraus keine zweite große Karriere geworden. Immerhin war der schlaksige Mann als exzellenter Techniker mit Pferdelunge Stammspieler im Mittelfeld des SC und der DJK Telgte und zuletzt Trainer des Verbandsliga-klubs SU Warendorf. Und auf die Frage, was ihm lieber gewesen wäre, ein Spitzenfußballer oder ein Spitzenläufer zu sein, antwortete Harald Norpoth, ohne zu zögern: „Ich hätte viel lieber auf der höchsten Ebene Fußball gespielt, weil mich Fußball als Mannschaftssport viel stärker interessiert hat."              

© Steffen Haffner, FAZ 08/2002

 

 


Foto: yahoo.de

 

 


Harald Norpoth 1966
Foto: tvigb.de

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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